25 Jahre Österreich in der Europäischen Union: Teil 2

 

Im ersten Teil unserer Serie zum EU-Beitritt haben wir die Entstehung der Union nachgezeichnet und aufgezeigt, welche Bedeutung die Öffnung vor allem für junge Menschen in Europa hatte und hat. In diesem zweiten Teil blicken wir auf alte und neue Herausforderungen, vor denen Österreich und die EU stehen, vom familiären Umfeld bis hin zur globalen Verantwortung der reichen Länder.

Neue Herausforderungen – seit 25 Jahren

Von Krisen werden gesellschaftliche Minderheiten meist am stärksten getroffen – unterdrückte und sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen ebenso wie Geflüchtete und schutzsuchende Menschen.

Als problematisch sehen wir dabei den nationalstaatlich getriebenen Egoismus der Mitgliedstaaten: “Statt Solidarität auf allen Ebenen von Beginn an zu leben und einzufordern, haben die Staaten Europas auf individuelle Lösungen gesetzt. Auch nachdem nun versucht wird, einen gemeinsamen Weg zu finden, werden benachteiligte Menschen in Europa genauso ausgeblendet und aus dem Diskurs verdrängt wie die Länder des globalen Südens, die solidarische Unterstützung jetzt dringend benötigen würden”, weist Martina Fürpass auf die deutlichen Ungleichheiten auf lokaler bis globaler Ebene hin.

Informationen über die Bestimmungen und gesetzlichen Regelungen für geflüchtete oder undokumentierte Bevölkerungsgruppen und Menschen mit nicht-deutscher Erstsprache stehen kaum oder gar nicht zur Verfügung. Besonders in Ballungszentren zeigt sich dieses Versäumnis. Personen mit unsicherem Asylstatus fürchten aber häufig negative Folgen, wenn sie Anordnungen des Staates nicht Folge leisten – ohne adäquate, inklusive Informationsarbeit werden diese Gruppen im Unsicheren gelassen.

In der Mehrheitsbevölkerung sind Frauen besonders von der Krise betroffen, weil ihnen nach wie vor der Großteil von Care-Arbeiten überantwortet und zugewiesen wird. Die Pflege von Angehörigen und die Bildung der Kinder wird ihnen wie selbstverständlich aufgetragen, ohne finanzielle Kompensation, weiterreichende Sonderurlaubs- oder Freistellungsmöglichkeiten oder Entlastungsangebote bereitzustellen. “Am härtesten trifft es bei uns Menschen mit größerem Betreuungsaufwand. Menschen mit psychischen oder körperlichen Einschränkungen, die besonders viel Aufmerksamkeit benötigen würden, werden von der Gesellschaft jetzt völlig ausgeblendet”, zeigt Martina Fürpass einen blinden Fleck auf, “Es ist schön, wenn es viele kostenlose Angebote und Online-Meetings gibt, aber wenn diese Angebote nicht inklusiv und barrierefrei gestaltet werden, haben wir als Gesellschaft unsere Hausübung nicht gemacht”. Für Gerhard Moßhammer “schaut es ein bisschen so aus, als würden wir alles, was unangenehm oder kompliziert ist, jetzt noch weiter wegschieben. Gleichberechtigung, Sicherheit für Schutzsuchende, Inklusion für Menschen mit Behinderung – dabei müssten wir ja genau auf diese Gruppen jetzt besonders viel Rücksicht nehmen”. Das IZ versucht, auf dieses Defizit hinzuweisen: “wir haben darum auch eine Plattform für Inklusion gegründet, die Organisationen, Betroffene und Interessierte vernetzt und versucht, inklusive Wege aufzuzeigen.”

Die Krise zeigt blinde Flecken in Politik und Gesellschaft auf. Einige neuere haben wir hier beschrieben. Große Defizite mit langer Tradition bedeuten in solchen Phasen unserer Geschichte aber eine mindestens ebenso große Herausforderung. Einige davon beleuchten wir in den nächsten Teilen dieser Serie.

 

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